Mai 2007

Warum sind die Tomaten gelb?

11.05.2007 – 03.06.2007

Bilder und Objekte von Bruno Obermann, Ulrich Bossmann, Eckard Putzmann

Städtische Galerie Haus Seel, Siegen

 

Eröffnung: Donnerstag, 10.05.2007, 19.00 Uhr
Begrüßung: Bürgermeister Ulf Stötzel
Einführung in die Arbeiten: Susanne Kern-Terheyden M.A.
Künstlergespräch Sonntag 20. Mai, 14 – 18 Uhr

PDF-Download:  2007-05_ASK_Warumsinddietomatengelb

 

Zur Ausstellung:

Es ist schon Tradition, dass die seit über 80 Jahren bestehende Arbeitsgemeinschaft Siegerländer Künstler in Ihrer Frühjahrsausstellung die neu aufgenommenen Mitglieder umfassend vorstellt. Im Jahre 2006 wurde mit Bruno Obermann lediglich ein neues Mitglied aufgenommen. Damit der Gruppengedanke verankert bleibt, wählte Obermann unter den Mitgliedern der Gruppe die Künstler Ulrich Bossmann (verst. Am 18.3.2007) und Eckard Putzmann aus, mit ihm gemeinsam die Frühjahrsausstellung zu bestreiten.

Die drei „Männer“ haben vieles gemeinsam: Sie gehören einer Generation an, die in der Nachkriegszeit aufwuchs und sie leben und arbeiten schon seit Jahrzehnten im Siegerland. Alle drei beschäftigen sich seit vielen Jahren intensiv mit Kunst und blicken auf eine regelmäßige Ausstellungstätigkeit zurück, die weit über das Siegerland hinausgeht. Die unorthodoxe Auseinandersetzung mit den Arbeitsmaterialien und die eigenständige Umsetzung in ihrem Schaffen, teilen sie genauso wie die weitgehende Vernachlässigung kurzfristiger künstlerischer Moden und Trends. Mit großer Geduld und Energie entwickeln sie ihr künstlerisches Oeuvre und setzen so anachronistisch, Zeichen in einer schnelllebigen Zeit.

Aber nicht nur diese Gemeinsamkeiten haben Bruno Obermann dazu bewogen, Ulrich Bossmann und Eckard Putzmann zu bitten, mit ihm zusammen die Ausstellung durchzuführen. Mit der sehr individuellen Umsetzung der künstlerischen Auffassung enden fast die Gleichheiten. Das Ergebnis des kreativen Schaffens zeigt exemplarisch, wie nahezu gleichartige Voraussetzungen und Arbeitsintensionen zu gänzlich unterschiedlichen künstlerischen Positionen führen können: Ulrich Bossmann sagte zu seinen Arbeiten:

„Ich habe das Kind gefragt, das den Regenbogen erfunden hat. Ich ziehe künstlerisch auf Abenteuer- und Entdeckungsreisen, ohne genau zu wissen, wohin die Reise malerisch wie thematisch führen wird.“

Einen alten Menschheitstraum nährt Ulrich Bossmann: den Traum vom Fliegen. In Zeichnungen und Gemälden, Collagen und Objekten hat er die Sehnsucht beschrieben, hat Flugobjekte entworfen, sie in die Freiheit der künstlerischen Phantasie entlassen, aus der sie natürlich auch stammen, und den Betrachter auf die Reise mitgenommen. In großen Erzählungen und kleinen Andeutungen, in kräftigen Farben, großen Entwürfen, klitzekleinen Details berichtet er davon, welche Seh-Abenteuer man erleben könnte, wie es überhaupt wäre, wenn man die Welt aus einer anderen Perspektive sähe. Die Art zu reisen ist kosten-, aber selten folgenlos, wenn man sich als Betrachter richtig darauf einlässt und sich vom Bossmannschen Traum in Bildern und Objekten entführen läßt. (Dr. Gunhild Müller-Zimmermann, Katalog ASK „A-Z“, 2003).

 

Auf spielerische und witzige Weise entzieht sich Eckard Putzmann nach eindeutiger, aber einengender Festlegung. Er spielt mit den Erwartungen an Plastiken (die haben groß zu sein) und ihren Materialien. Selbstbewusst und raumgreifend treten sein geometrischen Objekte auf, die ein wenig an Sportgeräte erinnern. Sie müssten von der Wirkung her eigentlich lebensgroß sein. Sie sind aber winzig klein. Sie behaupten sich in Ihrer Umgebung durch klare, kantige Formen und intensive Farben, die man bei so kleinen Formaten eigentlich nicht erwarten würde. Die Tatsache, dass die Objekte aus Pappe sind, trotz ihres Anspruchs auf Wirkung und Präsenz, schafft eine zusätzliche ironische Spannung: So ein Auftreten, und dann nur Pappe! Noch nicht einmal Holz. Eigentlich sollte es Stahl sein. Doch die Wirkung ist da. Und der Betrachter muß bei seinen Erwartungen ansetzen: Die Welt ist meistens anders……….

(Dr. Gunhild Müller-Zimmermann, Katalog ASK „A-Z“, 2003).

 

Arbeiten von Bruno Obermann (Mitte), Eckard Putzmann (rechts) und dem kürzlich verstorbenen Uli Bossmann
Die Frühjahrsausstellung der ASK zeigt Arbeiten von Bruno Obermann (Mitte), Eckard Putzmann (rechts) und dem kürzlich verstorbenen Uli Bossmann, dessen Arbeiten von seiner Schwesetr Gabriele ausgesucht worden sind

Kommen wir zu Bruno Obermann, dem Neuzugang der ASK: Obermann ist in seinem künstlerischen Auftreten Individualist und Einzelgänger. Seine Entscheidung, der Arbeitsgemeinschaft Siegerländer Künstler beizutreten, hat er sich nicht leicht gemacht. Bereits in den achtziger und neunziger Jahren hat er als Mitglied der Netpher Künstlergruppe DIREKTKUNST, Erfahrungen in der Gruppenarbeit sammeln können. Danach hat er über Jahre hinweg, ohne Bindung an eine Künstlergemeinschaft gearbeitet.

Bruno Obermann ist leidenschaftlicher Maler: War der Malprozess in den 90er Jahren noch sehr kopflastig geprägt, so verliert er in den aktuellen Arbeiten an dieser gedanklichen Strenge. Losgelöst von dieser Art „Bevormundung“ zeigen sich die Arbeiten lichter und transparenter. Bewegung kommt ins Spiel. Dem Einsatz der Farbe wird mehr Freiheit gezollt. Ein sanftes, fast pastelles Gleiten der Farbflächen ineinander, überdeckt und durchzogen mit Farbflüssen, läßt die Bildoberfläche in ein Meer der Ruhe übergehen. Farbschichten vermischen sich zu einer Bildgestaltung, der man die Leichtigkeit des Seins zuordnen möchte. Bruno Obermann ist mit seiner Malerei an einem Punkt angekommen, wo seine Bilder mit Schwerelosigkeit beseelt sind. Dort ist er angekommen. Auf diesem Weg befindet er sich. Nicht kopflos. Aber nicht krampfhaft kopfbestimmt. Bruno Obermann will malen. Er will einfach nur Maler sein

(Franz-Josef Weber, Katalog Bruno Obermann, 2005).

 

Pressestimmen

Siegener Zeitung:

gmz Siegen. Der Titel der Ausstellung ist programmatisch: »Warum sind die Tomaten gelb?« Programmatisch insofern, als auch die Tomaten ursprünglich einmal gelb gewesen sind – und heute, im Zeitalter der roten Tomaten, überraschend sind, wenn sie gelb sind. Stadtrat Steffen Mues nannte deshalb auch die traditionelle Frühjahrsausstellung der Arbeitsgemeinschaft Siegerländer Künstler (ASK) im Siegener Haus Seel (10. Mai, 19 Uhr, bis 3. Juni) »ursprünglich«, weil eine gute Tradition, und gleichzeitig »überraschend«, weil es immer wieder Neues zu sehen gibt. Bruno Obermann, dessen Arbeiten als ASK-»Neuzugang« vorgestellt werden, tritt in der Ausstellung in einen spannenden Kunst-Dialog mit dem kürzlich verstorbenen Künstler Uli Bossmann und Eckard Putzmann. Mit beiden hat Bruno Obermann schon häufig zusammengearbeitet – und wie man in der Ausstellung im Rahmen des KunstSommers sehen kann, bearbeiten alle drei Künstler das Thema Freiheit – und Leichtigkeit – auf jeweils charakteristische Weise.

Wer die neuen Arbeiten von Bruno Obermann sieht, der wird sicher überrascht sein. Eine neue Leichtigkeit zeichnet diese Bilder aus, farblich und in der Gestaltung der Strukturen sind sie wesentlich minimalistischer als seine bisherigen Arbeiten. Im weitesten Sinne zeigt Bruno Obermann in seinen großformatigen Arbeiten Landschaften, die er allerdings auf wenige Farbeindrücke und nur zarte bildgebende Strukturen reduziert. »Zum Licht« heißt eine Arbeit, die in der rechten oberen Ecke ein helles Gelb präsentiert, das die hellen, stark verdünnten und dadurch in ihrer Materialität kaum wahrnehmbaren Gitterlinien anzieht. Sie erinnern ein wenig an die vielschichtigen und vielfarbigen Lichtspiegelungen auf dem Wasser, leicht, zerbrechlich, aber dennoch unübersehbar: Sie formen die Durchsichtigkeit. In diesem »Wasser« tauchen kleine Lebewesen auf, in kräftigem Rot, die ebenfalls vom Licht angezogen werden – ihre Form wird durch das Licht gegeben. Ein schönes Spiel mit der zerbrechlichen und doch formgebenden Kraft der Farbe.

Diese Kraft, auch in der Reduktion, beherrscht auch die anderen neuen Obermanns. In »Knospe bricht« stellt er zum Beispiel aufbrechende rote Knospen dar, die sich wie befreit, flügelähnlich, lösen aus der Umgebung, die in heller, gelber Leichtigkeit den anscheinend fragilen, aber dennoch widerstandsfähigen Untergrund bildet. Befreit von den »Zwängen des Materials« wirken auch die Arbeiten von Eckard Putzmann und Uli Bossmann. Eckard Putzmann zeigt u. a. neue Arbeiten in Stahl – einen Flieger aus Stahldraht, der wie ein Papierflieger konstruiert ist, aber eben aus Stahldraht ist. Er malt das Gerüst des Fliegers, die Idee des Fliegens, als Schatten auf die Wand. Eine mehrfach gebrochene und gleichzeitig höchst wirkungsvolle Reflexion der Materialität des Malens. Ähnlich geht er in den »unfertigen« Quadraten aus Draht vor, die erst im Kopf des Betrachters vervollständigt werden und dennoch »völlig« vorhanden sind.

Uli Bossmanns Arbeiten, die von seiner Schwester Gabriele ausgesucht worden sind (Uli Bossmann hat dem Ausstellungsvorhaben noch begeistert zugesagt, sein allzu früher Tod zu Jahresbeginn verwehrte ihm allerdings die Umsetzung), geben einen Überblick über verschiedene Schaffensperioden, wobei in allen Arbeiten sein Witz und der Wunsch nach der »Gestaltung der Freiheit« sichtbar werden. Das Hubschrauber-Objekt mit einer Handlaternen-Kapsel, die drei Drachen aus Zeitungspapier und/oder Tuch, die wie atavistisch anmutende Schilde der Gefahr zu trotzen scheinen und gleichzeitig so zerbrechlich wirken, wie sie sind, die schwarz dominierte Teer-Arbeit »Unter Tage«, die die Farbe in die Tiefe holt, die fragilen Faden-Leitern, die der anderen Arbeit Halt geben und einen Ausweg anbieten – die Arbeiten spielen mit dem Material und weisen ihm neue Bedeutung – und neue Möglichkeiten – zu. Eben weil die Tomaten auch gelb sind!

 

Westfaelische Rundschau 08.05.2007

Künstlerisches Spiel mit Materialien

Siegen. (exem) Zuerst herrscht noch Chaos, die Ordnung ist gerade so sichtbar. An den Wänden lehnen Werke oder Skulpturen, anderes steht noch unentschlossen im Raum. Doch das Konzept für die Frühjahrsausstellung der Arbeitsgermeinschaft Siegerländer Künstler mit dem Titel “Warum sind die Tomaten gelb?” in der Galerie Haus Seel deutet sich schon an. Einen Teil der Ausstellung erinnert an den im März gestorbenen Ulrich Bossmann. Er wurde 1947 in Hecklingen geboren und hatte Fotografie, Grafik und Design studiert, bevor er sich als freier Künstler im Siegerland niederließ. Seine Schwester Gabriele Bossmann hat eine kleine Retrospektive zusammengestellt. Sehr frühe Arbeiten finden sich da neben seinen letzten. Bossmanns Werke zeichnen sich durch die Vielzahl der Materialien auf, die sie aufnehmen und zu einen neuen Ganzen verschmelzen. Selbst Worte können Teil solch einer Installation sein. Viele seiner Bilder zeigen eine Vorliebe für kräftige Blautöne, etwa das Blau des Meeres oder das Blau des Himmels. Oft gibt er seinen Träumen Ausdruck. Da ist vor allem der Traum vom Fliegen, der sich in einem kleinen Flugzeug manifestiert.

Ganz anders arbeitet Eckard Putzmann, gebürtiger Siegener, Jahrgang 1952. Nach einer Lehre als Bauzeichner schuf er eigene Entwürfe, Planungs- und Designarbeiten für die Architektur. Seine Werke lavieren zwischen Plastik und Zeichnung. Manche seiner filigranen Objekte wirken wie dreidimensionale Zeichnungen. Für ihre Wirkung auf den Betrachter spielen Licht und Schatten eine große Rolle. Obwohl er unter anderem das Material Stahl verwendet, sind seine einfachen Objekte zerbrechlich. Ein weiteres beherrschendes Element ist die Geometrie. Andere Werke bestehen aus Pappe: kleine Labyrinthe, die eigentlich riesig sein müssten. Aber das trifft für viele seiner Objekte zu.

Bruno Obermann ist der Neuzugang in der ASK. Er ist Jahrgang 1956 und begann erst 1978, sich ernsthaft mit Malerei auseinanderzusetzen. Seine Arbeiten sind licht und transparent, er lässt dem verdünnten Öl oft Gelegenheit, frei über das Bild fließen und eigene Wege zu finden. Dann wieder formt er seine Bahn mit dünnen Pinselhaaren, um den Effekt eines Netzes zu verstärken, das die Farbe gleichsam gefangen hält. Weite Flächen sind in Leinwandweiß belassen, wodurch die starke Farbigkeit der anderen Flächen noch verstärkt wird. Auch Fundsachen wie das Gerippe eines Kinderwagens, das dem Sperrmüll überantwortet war, regen ihn zu Objekten an. Obermann hängt bunt gefärbte Tücher daran, so dass der Kinderwagen aus seiner früheren Funktion herausgeführt wird.

Die drei Künstler haben Gemeinsamkeiten: Sie gehören zur Nachkriegsgeneration und sie arbeiteten oder arbeiten jahrzehntelang im Siegerland. Auch die intensive BNeschäftigung mit der Kunst ist ihnen gemeinsam. Unorthodox ist bei allen die Auseinandersetzung mit den verschiedenen Materialien. Und so sprechen ihre Werke eine gemeinsame Sprache. Warum nun der merkwürdige Titel? Stadtrat Steffen Mues ging auf die Frage ein. Die uns bekannten Tomaten seien rot. Doch im italienischen Begriff für Tomate stecke eine ganz andere Farbkonstellation: Schließlich heißt Tomate italienisch Pomodoro und zurückübersetzt Goldapfel, womit wir wieder bei der gelben Tomate wären. Aber man sollte den Titel nicht auf die Goldwaage legen: Er soll vor allem neugierig machen. Die Neugier wird verstärkt durch das Plakat – denn dort ist das Wort gelb in grüner Schrift geschrieben.

 

Westfalenpost 14.05.2007

 

inside Siegen Mai 2007

 

Siegener Zeitung im Blick 04.05.2007